
Robert Prosser (© Gerald von Foris), Dmitri Miticov (© privat)
Zwei Dichter, einer aus Rumänien und der andere aus Österreich, beantworten dieselbe Frage: „Wie wichtig ist es, fest in der Gegenwart verankert zu bleiben und über aktuelle Geschehnisse zu schreiben?” Robert Prosser und Dmitri Miticov begegnen sich im virtuellen Raum von Angesicht zu Angesicht.
Fokus auf die Gegenwart: Um im besten Fall zu verdeutlichen, wie viele Facetten unserer Zeit angehören. Das, glaube ich, ist eine Möglichkeit, wie Literatur politisch wirken kann.
In Inhalt und Form verwehre ich mich gegen allzu einfache Sichtweisen, die den Alltag prägen. Durch die Auseinandersetzung mit den Welten, die jeder Mensch und jede Kultur in sich hat, lässt sich die Manipulation aufdecken, die rechte Hetze vornimmt, an der Sprache, am Denken, an der Berichterstattung. Es ist nötig, offenzulegen, wie konstruiert und gesteuert Feinbilder und Schwarz-Weiß-Malerei sind, wie wenig sie mit der Wirklichkeit zu schaffen haben. Zu schreiben bedeutet für mich, das Abseitige hervor zu holen - gerade die Vielfalt, die unsere Gegenwart im Versteckten bietet, in den Mittelpunkt zu rücken. Im Schreiben über einen gegenwärtigen Stoff wird das Schweigen mitgedacht, die blinden Flecken. Das liefert einen Anstoß, um hinauszugehen, zu recherchieren, Gespräche zu führen. Zu reisen. Das Schreiben über jetzige Szenen und Menschen und Situationen verlangt Empathie. Es erfordert Neugier und die Bereitschaft, nachzufragen, sich auf die Mitmenschen einzulassen, um die Realitäten, aus denen sich die Gegenwart zusammensetzt, ein wenig zu verstehen und einen Text zu schaffen, der über das Tagesaktuelle hinaus Bestand hat.
Wenn ich in einem einzigen Satz antworten würde, würde ich sagen, dass ich immer vor der Gegenwart geflüchtet bin, entweder in die Vergangenheit, oder in die Zukunft (vor allem in die Vergangenheit, weil ich immer die emotionelle Sicherheit einer idealen Periode gesucht habe, nicht nur, weil es die bequemste Möglichkeit unter den vom Gedächtnis missgestalteten oder den potentiellen Optionen war, wobei die Stimme als der einzige Nachweis für die Gegenwart gilt. Manche betrachten die Stimme als sehr klar oder rationell und zurückhaltend, was dazu führt, allerlei Spur von Sentimentalität zu vermeiden. Ein anderer Fehler an Interpretation wäre, dass mein Schreiben stark in der Gegenwart zentriert sei, eine Art poetischer Realismus, wenn ich es so nennen dürfe.
Hier muss ich etwas Kurzes hinzufügen, da ich nicht zu viel über meine Schriften sagen möchte. Erstens, es ist trügerisch zu denken, dass Dichtung über etwas Konkretes handelt. Sicher kann das Thema ein Motor, ein Alibi oder ein Haken sein. Aber kein Gram mehr als das. Das Thema alleine führt nicht zur Dichtung, wie wir uns selbst betrügen. Von einem egozentrischen Trieb bewegt, der neben meiner offensichtlichen Schüchternheit besteht, wollte ich einmal auf Facebook allerlei Sachen schreiben wie zum Beispiel “writing about cosmos before it was cool” aber dann habe ich an Weltraumschifffahrten aus dem 38 Jhd. gedacht. Welche Bedeutung hat das Thema? Keine wirkliche, insofern es als Einwand für die Geräte fungiert, die emotionelle Intensität verschaffen. So dass ich die Frage nach der Verankerung in der Gegenwart mit Nein beantworten könnte. Eine andere Antwort auf eine bestehende Frage scheint mir wichtiger zu sein. Es ist nicht einmal wichtig, wenn wir uns daran gewöhnt haben, keine Grenzen für die Dichtung zu ziehen.